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Ein Fletcherfahrer beim Wachbataillon

K98, das weckt Erinnerungen bei mir! Für die Jüngeren: Das war der Karabiner 98. Noch nie gesehen? Dann schaut mal den nächsten Zapfenstreich in Berlin etwas genauer an. Das "Griffekklopfen" des Wachbataillons findet immer noch mit diesem Gewehr statt, weil es dafür am besten geeignet ist.

Meiner Z3-Zeit 1961 folgte des F1-Lehrgang an der MOS in Bremerhaven, danach ging es zur MUS in Plön. Erste Überraschung, als ich dort vom Laster sprang (der hatte uns vom Bahnhof abgeholt): Ich traf ein bekanntes Gesicht von Z3! Ich ging lachend auf ihn zu und fragte: "Na, was machst Du denn hier?" oder so ähnlich. Ich hatte ihn von Bord noch als ziemliches Päckchen in Erinnerung. Da sprach er mit ernster Mine: "Mit dem Du ist es jetzt vorbei, ich bin hier Ausbilder und wahrscheinlich Ihr Gruppenleiter." Zack, das saß! Er leitete dann aber eine Parallelgruppe, das machte es für mich etwas leichter.

Zweite Überraschung: Ich war in der sogenannten Ehrenkompanie gelandet. Zur Erläuterung: Es gab damals schon ein Wachbataillon der Bundeswehr (in Siegburg bei Bonn), aber da waren nur je eine Kompanie von Heer und Luftwaffe. Wurde zu größeren Anlässen auch die Marine benötigt, so reiste die "Ehrenkompanie" aus Plön an. Neben der üblichen MUS-Ausbildung durften wir in unserer "Freizeit" das exakte Exerzieren und das Griffeklopfen mit dem K98 üben. Nicht nur ein Mal standen wir noch um 23 Uhr unter den Straßenlaternen und übten "ACHTUNG, PRÄSENTIERT DAS GEWEHR! DAS GEWEHR ÜBER! usw.

Der Kompaniechef war ein Mann, der keine Fehler zuließ. Wir mochten ihn aber trotzdem. Mehrmals wurden wir bei wichtigen Anlässen eingesetzt, z.B. bei einem Stapellauf in Hamburg und einem Zapfenstreich in Bonn. Der absolute Höhepunkt war aber der Besuch von Charles de Gaulle 1962 in Deutschland u.a. mit seiner Ansprache an die deutsche Jugend im Schloßhof in Ludwigsburg. Eine ganze Woche waren wir mit dem Wachbataillon unterwegs, mit Bundeswehrbussen und zwei Mal mit der Noratlas. Übernachtung und Verpflegung immer in anderen Bundeswehrkasernen. In aller Bescheidenheit: Wir haben uns hinter Heer und Luftwaffe nicht verstecken müssen!

Unser Zugführer, ein junger Leutnant z.S., machte in unserer Kompanie seine Reserveübung. Eigentlich war er ein netter Kerl, aber er hatte so seine Eigenheiten. Vor seinem Zimmer lief öfters eine Katze herum. Daraufhin erhielt ich den Auftrag, dem Tier jeden Morgen eine kleine Schüssel mit Milch hinzustellen, was er auch des öfteren kontrollierte. Als unser Zugführer war er auf unserer Deutschlandreise mit dabei: Wachbataillon Siegburg / Empfang des Generals auf dem Flughafen Köln/Bonn / sein Besuch der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg / Ludwigsburg in BW mit seiner berühmten Rede usw.

Im Bus saß er vorn. Jedesmal, wenn wir durch einen Ort fuhren (und sei er noch so klein) rief er: "Mützen auf!", und wir mußten unsere Mützen aufsetzen. War der Ort zu Ende, kam der Befehl: "Mützen ab!", und wir legten die Mützen ins Gepäcknetz. Anfangs war das noch lustig, aber es gab halt sehr viele Orte, und schon bald hat uns das genervt. Die Enge der BW-Busse, die ja nicht für Deutschlandreisen ausgelegt waren, tat ein Übriges. Kurz vor dem nächsten Ort rief plötzlich jemand aus den letzten Reihen: "Mützen auf!", und ein brüllendes Gelächter erscholl. So ging es dann bei jeder Ortsein- und -ausfahrt. Der Leutnant blieb still, aber ich denke, daß er wütend war. Eine Meuterei auf seinem Schiff!

Wir übernachteten jeweils in Kasernen der Bundeswehr, die in der Nähe unserer Einsatzorte waren. Dort wurden wir auch verpflegt. Gewissensfrage an alle Smuts: Was würdet ihr auf die Back bringen, wenn für einen oder zwei Tage hundert zusätzliche Esser kommen? Na klar, EINTOPF! Für uns hieß das 11 Tage EINTOPF! Könnt ihr nachempfinden, daß unsere Stimmung jeden Tag schlechter wurde? Da wollten unsere Führungskräfte gegensteuern. Für einen einsatzfreien Samstagnachmittag/-abend wurde eine Ausfahrt in die Umgebung angesetzt. Jeder der 3 Busse fuhr in einen anderen schönen Ort. Wir aber hatten das große Los gezogen: Unser Bus fuhr nach Unkel am Rhein. Beim Aussteigen am Parkplatz sahen wir Transparente: "Willkommen beim Weinfest in Unkel". 35 Hauptgefreite der Marine! Die Leute standen Kopf, ein Mädchen kreischte: "Sind die echt?" Unser Leutnant rotierte. Er rief uns zusammen und vergatterte uns: "Wehe ich sehe jemanden von Ihnen betrunken, der kann sich..... usw." Wir doch nicht! Sogar ein Weinbrunnen war dort in Betrieb, und überall Weinlokale, da kann man doch nicht widerstehen! Und die Leute waren so nett zu uns, luden uns ein und überhaupt, es war schön. Unser Leutnant war ständig unterwegs, in jedem Weinlokal tauchte er auf und ermahnte seine Leute sich gut zu benehmen. Alle haben ihm das zugesichert, manche schon mit schwerer Zunge. Im größten Lokal mit großer Tanzfläche und Tanzkapelle trudelten schließlich die meisten ein, wir waren da schon eine kleine Sensation. Und wie konnte es anders sein, auch unser Leutnant, dem Anschein nach stocknüchtern, wurde plötzlich gesichtet. Einer hatte DIE Idee: Er sammelte bei allen Lords Geld ein und brachte es zum Dirigenten. Und dann kam übers Mikrofon die Durchsage: "Meine Damen und Herren, und nun ein Ehrentanz für Herrn Leutnant zur See XXX." (Nein, ich verrate den Namen auch jetzt nicht).

Er war überrascht, geschockt, aber gefaßt. Er tanzte mit einer schönen Frau ganz allein auf der Tanzfläche, und ich hatte den Eindruck, die Kapelle spielte deutlich länger als sonst üblich. Er tanzte gut und bekam Riesenbeifall, am meisten wahrscheinlich von uns. Aber gefallen hat ihm der "Überfall" wahrscheinlich nicht. Über dieses Thema hat er nie ein Wort verloren, auch später in Plön nicht.

Uwe Hecht