Down Ladder oder Alarmtauchen!

Wenn man als "Rentner" und nach Absolvierung der von der Hausfrau (Boss) vorgeschriebenen täglichen Arbeiten (Honey do's) wie Betten machen, Abstauben, Steubsaugen, Geschirr spülen und abtrocknen fertig ist und hofft, dass man die Inspektion vom "Boss" bestanden hat, dann verziehe ich mich hinter meinen Computer und lasse meinen Erinnerungen freien Lauf. Was das Säubern betrifft, bin ich der Meinung, dass zwei alte Leute doch nicht viel Schmutz und Staub produzieren. Aber in einem schwäbischen Haushalt ist halt Sauberkeit eine Religionssache.

Meistens bringt mich dieser Spaziergang in die Vergangenheit zurück zu meiner Marinezeit. Die sechs Jahre von 1956 bis 1962 sind für mich die besten Jahre meines Lebens. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass meine Erinnerungen mich zu den Tagen zurückführen, die mit "Reise, Reise, alles aufstehen" begannen.

"Reise, Reise. Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, ist einer, der die Wache regelt!"

"Reise, Reise. Lüft' an das Gattchen, senkt die Rohre, und denkt nicht mehr an Hannelore."

"Reise, Reise. Ein jeder stößt den Nebenmann, der letzte stößt sich selber an."

"Reise, Reise. Seemann, heb' dein Arschgewicht, backbord voraus Laboe in Sicht."

"Reise, Reise. Und kommt Laboe voraus in Sicht, der Seemann prüft sein Sackgewicht."

"Reise, Reise. Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, ist einer, der die Putzfrau kennt ."

"Reise, Reise. Seemann, leg die Socken klar, die Waschfrau von Laboe ist da."

"Reise, Reise. Seemann, leg' dein Hemdchen klar, die Waschfrau zeigt von achtern klar."

"Reise, Reise. Kommt hoch, ihr müden Leiber, die Pier steht voller nackter Weiber! Reise, Reise, aufstehen!"

In der amerikanischen MArine (Navy) waren die Verse nicht so "explizit":

"You've got to get up, you've got to get up, you've got to get up this morning. And tho' the sun starts peeping, and dawn has started creeping, those lazy bums keep sleeping, you gotta get up, you gotta get up, you gotta get up this morning."

Ganz oben an meiner Liste von meiner Zeit bei der Bundesmarine stehen die Erinnerungen an die wunderbaren Tage, Wochen und Monate, die ich bei der US Navy zur Vorbereitung der Übernahme von Z5, ex USS Dyson DD 572, verbrachte.

Das Training (Gunnery und Torpedo) begann in der US Navalbase in Newport, Connecticut. Es folgte US Naval Base Charleston, South Carolina, mit Training für repair und logistics von US Navy ships, die von der "Mothball Fleet" reaktiviert wurden zur Übernahme von der Bundesmarine. Von Charleston ging der Kurs 180 Grad Süd, bis die Butter schmilzt, zu der US Naval Base in Key West für Torpedo- und U-Jagdwaffentraining. Dort wurde ich intensiv an Acoustic Torpedos (Mark 32) ausgebildet. Mark 32 und sein Nachfolger Mark 44 waren das Equivalent zu dem deutschen Torpedo "Zaunkönig", der im 2. Weltkrieg bei der deutschen Marine eingesetzt war. Beide Torpedos hatten einen elektrischen Motorantrieb, entwickelt bei General Electric für die US Navy.

Mit einer der interessantesten Erinnerungen an Key West spielte sich auf dem Training Submarines for anti submarine statt. Im März 1960 war USS SS404, Spikefish, das erste U-Boot mit einem Tauchrekord von 10.000, ihr Kapitän war LCDR Lee Bert Finley. USS SS399, Sea Cat, ihr Kapitän war LCDR Robert A. Berg und USS SS285, Balao, ihr Kapitän war LCDR S. V. Hadley.

Die Balao wurde berühmt in dem Film "Operation Petticoat", der in Key West 1959-1960 gedreht wurde. Sie war ein Schulboot für Anti Submarine (Zerstörer) und Special Forces in Key West. Auf der Balao sollten Zerstörerfahrer ihre zukünftigen Gegner besser kennenlernen. Das Objekt dieser Trainings war realistische Erfahrungen zu sammeln wie ein U-Boot auf einen Zerstörerangriff reagiert.

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Während auf allen Navyschiffen eine enge Verbindung zwischen den Crews besteht, ist diese Verbindung auf U-Booten besonders stark. Unterschiedliches Alter und Herkunft spielen hier überhaupt keine Rolle. Gerade deshalb erinnere ich mich noch so gut an den Kapitän von der Balao. Gerade wir deutschen sailors wurden von ihm an Bord herzlich willkommen geheißen. Der Kapitän hatte einen guten Humor und zeigte grossen Respekt für Non Commissioned Mitglieder (Matrosen) seiner crew.

Die folgende Geschichte zirkulierte zu meiner Zeit durch das Boot: Der Kapitän stand einmal an dem Urinal neben einem Matrosen. Der Matrose war zuerst fertig und wollte wegtreten, als der Kapitän zu ihm sagte: "Wir Offiziere haben auf der Naval Akademy gelernt, dass man seine Hände wäscht, nach dem man uriniert hat", worauf der Matrose antwortete: "Wir Matrosen haben im boot camp (Schiffsstammabteilung) gelernt, wie man nicht auf seine Hände pisst."

Es erübrigt sich zu sagen, dass die Kameradschaft zwischen den U-Bootfahrern und uns zukünftigen Zerstörerfahrern exemplarisch war und durch unsere gemeinsamen Besuche in den "rowdiest" Naval Bars (auf Deutsch Radaukneipen) an der Duval Street zementiert wurde. Die gemischten crews der training submarines und der Torpedoschüler hinterliessen eine remarkable und dauerhafte Erinnerung bei den "fille de joie", in den Bars von Sloppy Joe und Green Parrot. Der Wettbewerb zwischen unseren "Top Lovers" war häufig sehr heiss, wenn es darum ging, wer bei den "schüchternen Mädchen" den grössten Eindruck hinterlassen würde. Einige unserer "Top Performers" hinterliessen Key West nicht nur mit ihrem letzten Dollar Sold, sondern auch mit "anderen" Erinnerungnen. Ich erinnere mich noch gut daran, was mir ein Navy Corpsman im Vertrauen sagte, dass viele gegen "Mosquito Bites" mit Penicillin behandelt werden mussten. Und jeder, der die Duval Street Barrunde gemacht hat, erinnert sich sicherlich noch an die wichtige Verhaltensregel, die man dort über der Bar auf einem Schild lesen konnte: "Don't let go of the bar or you may fall off the world" während unseres Baraufenthaltes (auf Deutsch sinngemäß: Halte dich an der Bar fest, sonst kannst du vom Stuhl fallen).

Jeder sailor, der einmal auf einem U-Boot Dienst tat, erinnert sich sicherlich an die Routine "Down Ladder" (Alarmtauchen), bevor man die Turmleiter hinunter kletterte oder rutschte zu dem Kontrollraum. Diese Warnung, nachdem man sich vorher überzeugt hatte, dass nichts im Wege stand, gab einem das Vorrecht (Right of way) die Leiter zu benutzen. Wenn man diese Vorschriften nicht befolgte, konnte es schon einmal vorkommen, dass man auf dem Weg nach unten ganz unerwartet auf jemand landete. Bei einem unserer training cruises ist mir mal folgendes passiert: Ich musste mal dringend von der Brücke herunter zu dem head (Toilette) und hatte mich überzeugt, dass die Leiter zum Conn (Control Room) frei war, rief das obligatorische "Down Ladder", rutsche die Leiter hinunter und landete direkt auf dem Kopf des Kommandanten. Anscheinend hat man meinen "schwäbischen" Akzent nicht verstanden, und so wurde meine Warnung ignoriert.

Der Kommandant sass auf einem fest montierten Stuhl direkt neben dem Kompass, und als das Boot durch starke Wellen rollte, geriet durch die Schräglage der Stuhl direkt unter die Leiter. Der Kommandant sah mir direkt in die Augen und sagte laut und klar: "Schneider, ich wette, dass du nie zuvor den Kopf eines Kommandanten so weit in deinem Arsch hattest, seit du auf der Balao bist." Wir mussten beide lachen. Wie bereits erwähnt - an Bord war Humor Pflicht.

Während meiner ganzen Trainingsperiode auf US Fleet Training Centers und Navy Schools, um mich auf meine Rolle als Rohrmeister auf Z5 vorzubereiten, war das Verhältnis zwischen US sailors und deutschen Seelords "outstanding".

Kein Wunder, dass mir die Auswanderung nach den USA nach 6 Jahren in der Bundesmarine nicht schwer gefallen ist. Die letzten 55 Jahre war mein Wohnort immer Florida, angefangen mit Miami, dann Fort Lauderdale, dann Pompano Beach und die letzten 35 Jahre Boca Raton. Damt hatte ich ständig die Gelegenheit, wenn mich das Navyfieber packte, über den "Oversea Highway" Key West zu besuchen. Vieles hat sich dort verändert, die Navy Base ist geschlossen, aber einige der naval bars in der Duval Street sind immer noch "in business". Der "Bull", wo Hemmingway Stammgast war, "Hogs Breath Salon" und "Sloppy Joe" haben die Naval Base closing überlebt. Dort werden dann immer Erinnerungen an eine längst vergangene "schöne Marinezeit" wach. Es gibt ein altes Sprichwort in Florida, das sagt: "If you have gotten sand in your shoes in Florida, you will never leave Florida." (Wenn man einmal in Florida Sand in die Schuhe bekommen hat, wird man Florida nie verlassen.)

Ich habe gerade nachgeschaut, und da ist noch viel Sand in meinen Sneakers.

Rolf Schneider